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Wer hat's erfunden?

Joseph Hubert Pilates, auch Joe genannt, wurde 1883 in Mönchengladbach geboren.

Die Familie zog sehr oft um, war arm und es wird vermutet, dass sie Wohnungen "trockenwohnte". Das könnte dazu passen, das J. Pilates ein etwas kränkliches und schwaches Kind gewesen sein soll.

Er litt u.a. an Asthma und Rachitis - und er verlor durch einen Stein sein rechtes Auge.

Dennoch führte seine Freude an Bewegung schon früh zu einem besonderen Körperbewusstsein. Er begann schon in jungen Jahren seinen Körper zu kräftigen.

Als Jugendlicher beschäftigte er sich schon mit unterschiedlichen Bewegungslehren. Neben Turnen, Gymnastik, Bodybuilding und Skifahren las er auch über Trainingsmethoden wie Yoga.

Er bekam vom Arzt seines Vaters ein Anatomiebuch geschenkt: "Ich lernte jede Seite, jeden Teil des Körpers; während ich die verschiedenen Teile lernte, bewegte ich immer den entsprechenden Teil.”

 

Das Wissen und die Erforschung der Anatomie war um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert eher bescheiden.

J.P. Müller, ein 1866 in Dänemark geborener Gymnastikpädagoge, veröffentlichte 1904 sein Buch "Mein System", welches zum Bestseller wurde.

Da Pilates' Vater Turner war, ist es anzunehmen, dass er das System des Dänen Müller kannte. Hier ein faszinierendes Video von Müller bei der Ausübung seiner Gymnastik:

https://www.danmarkpaafilm.dk/film/ip-muller-viser-mit-system

 

1913 ging er nach England und verdiente dort vermutlich sein Geld als Boxer und Zirkusartist.

Auch als Lehrer für Selbstverteidigung an Polizeischulen soll er unterrichtet haben.

Als Deutscher wurde er zu Beginn des Ersten Weltkrieges interniert.

Im zweiten Internierungscamp, auf der Ilse of Man, waren wohl viele Boxer vertreten, die dort ihrem Sport nachgingen und Pilates fungierte oft als Ringrichter. Im Camp zur Untätigkeit verbannt, hielten sich die Männer mit Bewegung nicht nur physisch, sondern auch psychisch fit.

Er kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück, und betrieb von 1920 bis 1923 eine Boxschule in Gelsenkirchen. Er nahm auch selbst an einer Reihe von Boxkämpfen teil, allerdings wohl mit mäßigem Erfolg.

Er entwickelte nach und nach sein eigenes Konzept eines ganzheitlichen Körpertrainings und nannte es „Contrology".

Von 1923 bis 1925 war Pilates in Hamburg. Dort trainierte er die Hamburger Polizei in Selbstverteidigung und unterrichtete sein Bewegungskonzept auch in verschiedene Privatkliniken.

Da begann er mit dem Bau der Pilates Geräte:

"Ich erfand all diese Maschinen. Das begann damals in Deutschland. Da war ich bis 1925 und trainierte rheumatische Patienten. Ich dachte mir, warum soll ich meine Kraft nutzen? Also baute ich eine Maschine, die das für mich machte." So erzählte er in einem Interview.

Das erste Gerät, für das er ein Patent anmeldete, war der Foot Corrector,  eine "Vorrichtung zur Beseitigung oder Besserung von Bein- und Fussfehlern."

Joseph Pilates wollte sein zweites Gerät, den "Universal Reformer", in den USA patentieren lassen, daher  beauftragte er eine Anwaltskanzlei mit der Einreichung des Patents.

Einen Überblick über den Reformer und alle anderen Geräte gibt es hier beim Deutschen Pilates Verband:

Mit 46 Jahren emigrierte er 1925 in die USA. Auf der Überfahrt lernte er seine dritte Frau Clara kennen, eine Krankenschwester.

In New York übernahmen sie ein Box- und Trainingsstudio in 8th Eight Avenue, im selben Gebäude wie das New York City Ballet.

Daher kamen auch seine ersten Kunden. Er trainierte Tänzer verschiedener Tanz-Kompanien und immer wieder wurden auch Tänzer zu ihm geschickt, die sich verletzt hatten. Er hatte den Ruf, diese wieder auf die Füße zu stellen.

In den USA wird häufig behauptet, dass er als Trainer von Max Schmeling einreiste, der auch bis Ende der 1920er Jahre in seinem Studio von Pilates trainiert wurde.

Zusammen mit Claras' Erfahrung als Krankenschwester bekam seine Methode auch eine rehabilitativ ausgerichtete Komponente. Seine Frau galt damals wohl als die bessere Lehrerin.

 

In der Folgezeit waren auch viele berühmte Tänzer und Choreographen unter ihren Klienten wie: Martha Graham, George Balanchine, Hanya Holm und Rudolf von Laban.

Aus dieser Anfangszeit und aus den gemeinsamen Inhalten, nämlich der Zentrierung und Stabilisierung des Körpers, erklärt sich die enge Verbindung zum Tanz.

Auch Schauspielerinnen wie Katharine Hepburn, Lauren Bacall und die Schauspieler Gregory Peck und Johnny Weismüller schätzten sein Trainings-Konzept.

Pilates arbeitete individuell und kreativ. Für jeden einzelnen Klienten erstellte er ein eigenes Übungsprogramm und entwickelte sogar neue Übungen für die entsprechende Person.

John Steel, ein Klient und Anwalt von Joe Pilates berichtet: "Es gab keine Termine, kein Gespräch mit anderen Kunden, keine Wasserpausen, und man vertraute darauf, dass Du 5 Dollar auf dem Tisch gelegt hast wenn Du gegangen bist. Es gab keine Kritik, nur Anleitung durch Joe oder Clara, und oft ein Piksen oder Schieben, um Dich zur korrekten Bewegung zu bringen." Steel sagte, es wurde erwartet, dass man die Übungen inklusive der Einstellungen der Geräte lernte, so dass man sie für sich in einem kontinuierlichen Fluss ausführen konnte. "Diese Kopf-Körper-Sache war das Herzstück seiner Methode", sagte Steel. "Ihm war wichtig, dass Du in absoluter Kontrolle über jeden Muskel in Deinem Körper warst."

Pilates erwartete, dass man dreimal die Woche trainierte und möglichst zuhause noch ein Mattenprogramm absolvierte.

1934 veröffentlichte Joseph Pilates sein erstes Buch "Your Health", welches man auch noch heute kaufen kann.

Er praktizierte bis ins hohe Alter hinein und verfasste Bücher über seine Technik. Er starb 1967 im Alter von 83 Jahren an einem Lungenemphysem in New York, ohne ein Testament zu hinterlassen oder die Nachfolge und Weiterführung seiner Arbeit zu regeln. Clara Pilates unterrichtete, und führte das Studio erst einmal weiter, suchte aber schon bald einen Nachfolger.

1975 übergab Clara das Studio an Romana Kryzanowska, die es später wieder verkaufte.

Das Original-Studio konnte nicht mehr wiederbelebt werden, die ehemaligen Schüler*innen zerstreuten sich über ganz New York und dann die USA.

Ende der 90ger erlebte die Pilates-Methode eine Art Wiedergeburt. Aus den USA kam es zurück nach Deutschland.

Ob in den USA, in Asien oder Lateinamerika: überall war das Reformer-Training populär, während es in Deutschland weitgehend unbekannt blieb. Das ändert sich gerade dank Instagram, wenn auch leider nicht in der Form, in der es überliefert ist.

Der Name Pilates ist nicht geschützt, wer wissen möchte ob seine Trainer*in eine qualifizierte Ausbildung hat, kann schauen, ob das angegebene Ausbildungsinstitut beim Deutschen Pilates-Verband gelistet ist. Diese Institute erfüllen alle die Mindestanforderungen:

https://pilates-verband.org/ausbildung-fortbildung/institute/

Klassisch oder contemporary?

Im Pilates gibt es heute zwei Strömungen: eine kleinere Gruppe Trainer und Ausbildungsinstitute, die sich an die überlieferten Übungen und Reihenfolgen halten und das moderne = contemporary Pilates.

Die advanced Original-Übungen sind nicht einfach, für verkürzte Schreibtischarbeiter*innen oft zu schwer auszuführen.

Es braucht mehr Einsatz, als einmal die Woche zum Kurs zu kommen, um die Kraft und Flexibilität zu entwickeln, die die Übungen dem Körper abfordern.

So nähert sich Pilates immer mehr den Möglichkeiten der Kund*innen an. Es wurden viele "Prä-Pilates" Übungen entwickelt, die auf die Original-Übungen hinarbeiten sollten, aber oftmals ein Eigenleben entwickeln. Manche Kurse bleiben dann immer auf diesem Level stehen.

Jede Übung hat ihren eigenen Namen, sowohl auf der Matte, als auch auf den Geräten. Wenn in der Stunde keine Übungs-Namen genannt werden, sind es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine Pilates-Übungen. Hier findest du die Original Matten-Reihenfolge:

https://www.claudia-bartel-pilates.de/traditional-order-mat

Wie ich meine Stil gefunden habe, liest du hier.

Prinzipien im Pilates:


Control:
Joseph Pilates nannte seine Bewegungsform 'Contrology'.
Romana Kryzanowska, eine Schülerin von Pilates sagte:
"You can say what Pilates is in these words: Stretch with strength and control. And the control part is the most important because it makes you use your mind".
Was Pilates ist, kann man in folgenden Worten ausdrücken: Dehnen mit Stärke und Kontrolle. Und der Kontroll-Teil ist der wichtigste Teil, weil er dazu führt, dass du deinen Kopf anstrengst."

 

Centering:

Der mentale Fokus auf die auszuführende Übung ist unerläßlich. Aus der Forschung der Neuroathletik wissen wir inzwischen, wie wichtig es ist, sich mental auf die Ausführung der Bewegung zu fokussieren. Sie sich bildlich vorzustellen, zu spüren und dann erst auszuführen, hilft den kleinen gelenknahen Muskeln, sich zu aktivieren, die sogenannte Propriozeption.

Aber Zentrierung ist auch körperlich zu verstehen. Wir bewegen aus der stabilen und aktivierten Körpermitte. Werden die Pilates-Übungen ohne Stabilisierung der Mitte ausgeführt, wird man vor allem die globale, „oberflächliche“ Muskulatur ansprechen, aber nicht die Tiefenmuskulatur. Die Intensität eines Trainings liegt auch immer in der vollkommenen Durchdringung der jeweiligen Übung.
 

Concentration and Awareness:

Eine Pilates-Übung sollte niemals schematisch und/oder nebenbei ausgeführt werden, auch sollten wir uns nicht ablenken lassen, durch Medien, Unterhaltungen oder Musik, sondern die Übung immer wieder mit vollem Bewußtsein ausführen.

Durch die Konzentration auf das, was wir tun und wie wir es tun, werden wir uns der Bewegung wirklich bewusst. Wir "erspüren" die Bewegungen im Körper.

Sein Bewusstsein wirklich zu öffnen, erfordert eine Wahrnehmung des eigenen Körpers, die vielen Menschen oft schwerfällt.

Wir müssen in die Lage kommen, unseren Körper wahrzunehmen zu können, um dann zu vergleichen, ob das was wir tun, mit dem übereinstimmt, was die Lehrer*innen demonstrieren oder anleiten.

Und noch etwas kommt hinzu: Heute wissen wir, dass wenn wir etwas Neues erlernen, dieses im Gehirn sehr fest verankert wird. Hat man also seine ersten Schritte beim Pilates nur als reine "Gymnastik" erlernt, ist das Gehirn nur schwer zugänglich für Informationen, die von dem zuvor Erlernten abweichen, und es fällt

umso schwerer eine Offenheit für das zu entwickeln, was die Trainer*in sagt oder demonstriert.

 

Precision:

Präzision resultiert aus den o.g. Prinzipien. Es garantiert darüber hinaus, dass alle Muskelgruppen aktiviert werden, die für die Übung aktiviert werden sollten.

Breathing:

Es gibt rhythmische Atmung, wie in der Übung "Hundred" oder "Swimming", aber auch Übungen bei der der Atem einfach drüber fließt. Ansonsten sagte Pilates oft: "Out with the air" or: "Squeeze out the lungs as you would wring a wet towel dry". Damit soll einmal ein kompletter Luftaustausch der Lunge stattfinden. Andererseits ist die tiefe Ausatmung das zentrale Element, um die "Core-Muskulatur" anzusteuern, und wenn möglich in der Einatmung zu halten. In der Regel wird in der Extension und Verlängerung eingeatmet und in der Flexion und Rotation ausgeatmet.

Movement flow:

Pilates-Übungen an sich haben ihren Rhythmus, der durch die Atmung geleitet wird. Je vertiefter die Atmung, umso mehr Kraft kann ich generieren und umso länger wird die Ausführung. Und die einzelnen Übungen gehen ineinander über. Der Bewegungsfluss sollte nicht unterbrochen werden, wenn wir beispielsweise vom Sitz in die Bauchlage wechseln. So behalten wir die Konzentration und die Aufmerksamkeit bei unserem Körper und dem was wir tun.


Balance:
In Balance zu sein, meint hier nicht nur das tatsächliche „balancieren“, wie man es für die „Roll-Übungen“ oder die Control-Balance braucht.
Es ist auch eine Balance der muskulären Spannung und Anspannung. Wenn ich einen "Roll-up" mache, zieht die Vorderseite konzentrisch zusammen, und die Rückseite muss loslassen. Spannt sie sich auch an, geht die Übungsintention, die Mobilisierung der Wirbelsäule, verloren.
Auch die Balance zwischen Stabilität der Mitte und Dynamik der Bewegung in den Extremitäten wie beim „Swimming“ ist gemeint.

Balance meint auch eine ausbalancierte Muskulatur und einen balancierten Spannungstonus.

Durch unseren Alltag und unsere Berufe sind wir oft sehr einseitig belastet. Ungleichgewichte in der Muskulatur entstehen. Der Körper leistet Schwerstarbeit und kompensiert das Ungleichgewicht oft über Jahrzehnte. Aber irgendwann ist eine Kompensationsgrenze erreicht und Schmerzen entstehen, und wollen nicht wieder verschwinden.

Balance in der Ausführung der Pilates-Übungen erfordern oft Kraft, aber es sollte immer nur die Kraft eingesetzt werden, die für die Ausführung der Übungen notwendig ist. Muskulatur bewußt loszulassen ist schwer.

Das wissen alle, die einmal einen dauerhaft verspannten Nacken hatten. Mache ich eine Pilates-Stunde mit voller Kraftanstrengung, wird sie mir sicher nicht gut tun. Hier kommt also wieder das Bewußtsein ins Spiel. Pilates sagt: „complete coordination of body, mind, and spirit.“
So ist mit Balance auch gemeint, den Körper wieder in Balance zu bringen.
Und letztlich natürlich: die Balance von Körper und Geist. Durch den Fokus auf die Übungen und die bewußte Atmung wirkt Pilates auch auf das vegetative Nervensystem und der Effekt nach der Stunde ist, trotz der Anstrengung, ein positiv entspannter.
Durch die Integration einer Pilates-Routine in den Alltag wird man sich auch mental „ausbalancierter“ fühlen.


 

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